Ein Tag im Schlachthof

15. Januar 2014

Zuletzt aktualisiert am 18.06.2020

Eine Grenzerfahrung, heftig wie kaum eine Erfahrung zuvor: Ein Tag im Schlachthof. Kaum ein Tag, eher zwei Stunden, doch die haben genügt, um mich nachhaltig zu beschäftigen.

Es war ein Donnerstag, um 13 Uhr rollte ich auf den Hof des örtlichen Schlachtbetriebs. Kurz vor dem Aussteigen fragte ich mich, was mich eigentlich geritten hat, einem solchen Termin zuzusagen. Klar hatte ich in Budapest tote Menschen gesehen, doch die waren vor Wochen oder Monaten auf natürliche Weise gestorben und konserviert – menschlich, lebendig, aber irgendwie doch nicht. Hier dagegen erwarteten mich lebende Kühe, die mich mit ihren rießigen Augen anschauen würden, bevor sie in die sogenannte Tötefalle kommen würden, um wenige Sekunden später tot zu sein. Ich bin wahrlich nicht hart im Nehmen und kann nicht einmal Blut sehen.

Doch ich tat es. Ich stieg aus dem Auto, ging mit zittrigen Beinen über den Hof und klopfte an die Betriebstür. Wenig später öffnete mir der Betriebsleiter, begrüßte mich mit festem Händedruck und führte mich in die Umkleide. Ganzkörperanzug, Mütze und Schuhbedeckung, aus Plastik und weiß. So ausgerüstet konnte es losgehen, der etwa 40-Jährige führte mich durch den Kühlraum, wo nur zwei Schweinehälften hingen, in die große Halle. Alles auf einmal: ungewohnter Geruch, Eisen, Blut, und tote Tiere, abgetrennte Köpfe ohne Haut, daneben Innereien. Die Mitarbeiter sind das gewohnt, ich war es nicht. Mir blieb die Luft weg und ich wusste nicht, wo ich zuerst hinsehen sollte. Wollte ich überhaupt etwas davon sehen? Wollte ich sehen, wie ein Tier stirbt? Im Kleinen ist das alltäglich, Stechmücken tötet man ohne mit der Wimper zu zucken, und auch Fleisch ist alltäglich, für wenige Euro liegt es in der Kühltheke des Discounters bereit.

In den nächsten Minuten und Stunden im Schlachthof erfuhr ich Einiges, was vielleicht jedem klar sein sollte: Der Weg dahin. Vom lebenden Tier hin zum Produkt.

Ein Erlebnis, das mich zum Umdenken bewegt hat. Man muss nicht zum Vegetarier werden, doch ein bewusster Umgang mit dem Lebensmittel ist wichtig. Fleisch ist heute alltäglich, für einen Euro bekommt man einen Hamburger und für zwei fünfzig 500g Hackfleisch. Und genau das gibt es bei mir jetzt nicht mehr, denn ich esse seitdem kaum noch Fleisch. Nicht weil ich sprichwörtlich keinen Happen mehr runterbekomme oder es verurteile, Fleisch zu essen. Ich mag Fleisch und esse es noch, wenn ich bei meinen Eltern bin. Fast nur dann, wenn ich weiß, dass es aus artgerechter Haltung stammt (meine Eltern kaufen nur beim Metzger ihres Vertrauens). Ich bin keine strikte Vegetarierin, zumal ich auf Fisch (noch) nicht verzichten kann und möchte. Aber ich habe angefangen, umzudenken.

Der Betrieb, bei dem ich hinter die Kulissen blicken durfte, arbeitete mit Tierschutzlabel, achtet auf die Herkunft und Haltungsbedingungen der Tiere. Laut Betriebsleiter leiden sie nicht, werden mit einem Bolzenschuss betäubt und anschließend „gestochen“, so dass sie nach wenigen Minuten, wenn nicht Sekunden, ausgeblutet und tot sind. Den Rest erspare ich euch. Doch solche Betriebe sind leider nicht die Regel. Der Betriebsleiter wurde zum Vegetarier, als er in einem Großbetrieb arbeitete.

Einen bewussten Umgang mit dem Lebensmittel Fleisch finde ich spätestens jetzt wichtig.

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Über mich

Hallo, ich bin Isabelle, 33 Jahre alt und lebe in Konstanz am schönen Bodensee. Auf meinem Blog ÜberSee-Mädchen.de zeige ich vor allem einfache Rezepte für leckeres Essen. Meine Kochkarriere begann mit der Sehnsucht nach Heimatküche wie Grießklöschensuppe oder schwäbischen Wurstspätzle. Seitdem habe ich viele Stunden in der Küche verbracht und allerlei Köstlichkeiten ausprobiert. Sieh dich ein wenig um und lass es dir schmecken.

16 Kommentare

  1. Ich finde dies einen sehr wichtigen Artikel, denn jeder, der regelmässig Fleisch isst, sollte sich darüber bewusst sein, dass dafür tatsächlich ein Tier geschlachtet werden muss. Da ich nicht auf Fleisch verzichten möchte, achte ich mittlerweile extrem darauf, nur noch das „beste“ Biofleisch zu kaufen und überlege mir sogar, zukünftig hauptsächlich direkt von Bauernhöfen, welche ihre Tiere nur mit Grass füttern, zu kaufen. Fleisch für 2.50 EUR – das kann weder gesund (Stichwort Antibiotika etc.), noch lecker noch artgerecht sein.

    Liebe Grüsse
    Ariana

  2. Ich sehe das genauso wie du. Ein toller Schritt, dass du dorthin gegangen bist, denn ich finde es sehr wichtig, dass man sich als Fleischkonsument auch mit dem Töten von Tieren beschäftigt. Da mein Opa Bauer und Jäger ist, bin ich mit toten Tieren im Haus und um das Haus aufgewachsen, habe gesehen, wie Hühner getötet und Tiere ausgenommen wurden. Ich mache es ähnlich wie du: esse selten Fleisch und nur in Bio-Qualität.

    lg,
    Sarah

  3. Ich finde es nur konsequent, dass man sich damit auseinandersetzt, woher das Fleisch kommt. Ich selbst habe zwar noch nie einen Schlachthof besucht, aber ich habe früher auf dem Bauernhof einer Freundin geholfen Hühner zu rupfen und auch dabei zugeschaut, wie ihnen der Kopf abgeschlagen wurde.
    Trotz dieser Erfahrung bin ich Fleischesserin geblieben. Ich denke, wenn man Fleisch isst, kommt es auf die Menge darauf an und dass man darauf achtet, woher es stammt. Bei mir kommt nur Schweizer Fleisch auf den Tisch, denn ich weiss, dass die Standards für Nutztierhaltung im Inland relativ hoch sind. Am unproblematischtens finde ich den Konsum von Rehen und Hirsche, solange sie nicht aus Zuchten stammen. Diese Tiere hatten bis zu ihrem Tod ein glückliches Leben in freier Wildbahn und ihre Bestände müssen- zumindest in der Schweiz – durch Jäger reguliert werden.

    1. Mein Mitbewohner schwärmt auch von den Schweizer Standards, in dem Fall hat er da wohl Recht. Hühner rupfen könnte ich glaube ich nicht, ich glaube dadurch hast du noch einmal einen anderen Bezug dazu. Und Wild scheint eine gute Alternative.

  4. Wow, danke für den Artikel. Das ist bestimmt eine ziemlich krasse Erfahrung – vor allem in unserer Gesellschaft, in der Fleisch fast nur noch steril abgepackt im Supermarkt zu finden ist. Ich muss ehrlich sagen, ich würde das nicht gerne sehen. Ziemlich beeindruckend, dass du dich dem gestellt und darüber geschrieben hast :)

  5. Ich finde es auch wichtig, sich Gedanken über den Fleischverzehr zu machen.
    Mein Stiefvater ist Metzger, das ist zwar nicht mit Schlachthof direkt zu vergleichen, aber da sind auch Tiere, die erst noch süß gucken und dann tot sind…
    Auch wenn ich selbst keine Vegetarierin bin, esse ich nur noch wenig Fleisch und das auch nur, wenn ich das Tier vorher kannte.
    Kaum jemand versteht, warum ich das Tier kennen will, wenn ich es esse. Aber nur dann weiß ich ganz sicher, dass es gut gelebt hat und das ist mir wichtig.
    Liebe Grüße

    1. Im ersten Moment dachte ich auch, dass man ein bekanntes Tier noch weniger essen wollen würde, doch dein Ansatz macht Sinn. Mir fiel es richtig schwer, das lebende Tier zu sehen und kurz später den leblosen Körper, dem die Haut abgezogen wird…

  6. Gut geschrieben!
    Find‘ ich auch echt gut, dass du dich gleich SO dafür interessiert und informierst.. nur kann man sich einfach nie sicher sein ob die Tiere ‚artgerecht‘ gehalten wurden – 95% davon stammen heutzutage aus Intensivtierhaltung..
    & den Fisch könnt‘ ich dir jetzt auch noch schlecht machen, Überfischung, Ozeanverschmutzung, Quecksilber, uuusw :D – aber muss ja jeder selber wissen & weniger Fleisch zu Essen ist besser als gar nicht’s zu tun :)
    Ich hab für mich einfach entschieden, gar nichts tierisches mehr zu essen & fühl mich damit einfach wohler und besser. Find’s einfach nur traurig, dass so wenig Menschen wissen, wie’s hinter den Kulissen wirklich abgeht und WAS genau sie da essen und aufnehmen, auch an Medikamenten usw.
    Deshalb hoff ich auch mal, dass dein Text hier auch viele Leute erreicht :)
    Grüße, marina

    1. Ich habe das Gefühl noch viel zu wenig zu wissen… Du bist Veganerin? Ohne Ei und Joghurt kann ich mir kaum vorstellen, wow!

  7. Als du diesen Post letztens angekündigt hast, habe ich mich schon sehr darauf gefreut! Jetzt bin ich leider ein bisschen enttäuscht, weil ich einfach mehr erwartet habe, als diese paar Zeilen.
    Aber im Grunde ist dieser Post absolut wichtig, weil sich natürlich jeder Gedanken dazu machen sollte und jeder muss sich damit beschäftigen und dann mit sich selbst und seinem Lebensstil im Reinen sein.

    Für manche heißt das Verzicht, für andere Bewusstsein. Ich schätze ich bewege mich dazwischen. Ich verzichte auf Fleisch wo ich kann (und das fällt mir auch absolut nicht schwer), aber noch habe ich Skrupel meine Mitmenschen da mit einzubinden und besonders meiner Mutter aufzubürden, wegen mir anders zu kochen.

    Der Fleischkonsum im Durchschnitt ist aber absolut katastrophal. Da muss sich auf jeden Fall, besonders mithilfe von solcher Aufklärung, was ändern.

    Darf ich fragen, wie du dazu gekommen bist? Also zum Besuch auf dem Schlachthof.
    Liebste Grüße,
    Katja

    1. Was hast du erwartet? Ich hatte anfangs ein paar Zeilen mehr geplant, aber war mir unsicher wie sehr ich ins Detail gehen soll.
      Mitmenschen einbinden ist schwierig, würde ich auch nicht machen wollen. Trotzdem kann man ja darauf achten, dass man z.B. nur Beilagen ist.
      Ich bin über meine Tätigkeit bei der Studentenzeitung dazu gekommen, wir haben eine Rubrik „Hinter den Kulissen“ und die Ausgabe ging um das Thema „Tod“, daher dann Schlachthof. War aber gar nicht so einfach, da zusehen zu dürfen…

  8. Einen kleinen Auszug gabs ja schon in der Studentenzeitschrift Campuls zu lesen, von der du uns erzählt hast. War sicherlich eine interessante und prägende Erfahrung. Vielleicht sollten Schulklassen mal Unterrichtsgänge zu einem Schlachthof machen, einfach damit sie wissen vorher der Burger bei McDonalds und bei Burger King stammt.
    Auf jeden Fall wirklich ein toller Artikel!

  9. Echt toller Beitrag! Ich finde deine Einstellung super und kann dir nur zustimmen.
    Ich selbst bin auch kein Vegetarier, ich liebe Fleisch und es ist auch ganz normal, das ist nunmal der Kreislauf des Lebens dass wir Tiere essen usw., aber man sollte sich echt Gedanken machen wie solche Tiere gehalten werden. Wenn nur alle so bewusst über dieses Thema denken würden wie du… !

    Liebste Grüße, Pauli :)

  10. Schöner Artikel! Ich hatte vor einiger Zeit ein anderes und nicht so brutales Erlebnis (ich berichte vielleicht mal davon), dass mich zum Umdenken bewogen hat. Mittlerweile habe ich Zuhause einen Vegetarierhaushalt und finde das völlig ausreichend. Geflügel widert mich mittlerweile nur noch an, weil die Medikamentenbelastung da besonders hoch ist und es zudem auch kaum Geschmack hat. Fleisch esse ich nur noch auswärts, d.h. wenn ich irgendwo eingeladen bin oder in einem etwas besseren Restaurant essen gehe. Vorteil dabei: Ich erspare mir die „Warum-bist-du-Vegetarier“-Diskussionen und Fleisch ist für mich dann etwas besonderes, weil ich es nur selten esse.

    Nur Bio oder beim Metzger des Vertrauens kaufen, finde ich schwierig. Bei Bio sind die Haltungsbedingungen schärfer, ja, aber sterben müssen die Tiere da auch. Und der Metzger des Vertrauens weiß unter Umständen selbst nicht genau, wie die Tiere gehalten wurden, weil er sie i.d.R. nicht selbst aufzieht und schlachtet.

  11. Oh Gott, ich muss ehrlich sagen, dass ich damit so gar nicht klar kommen würde… ich habe da echt im Fernsehen schon oft zu krasse Sachen gesehen, bei denen mir beinahe schlecht geworden wäre. Respekt, einen Schlachthof könnte ich echt niemals besuchen!
    Allerdings bin ich eh schon seit Jahren dafür, dass man bewusster mit seinen Lebensmittel umgeht. Was Hühnern usw. passiert ist ja auch oft total heftig und unschön…

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